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Was böse ist, das nennen gut, was gut ist, das nennen böse sinnlose Leute. Also tust auch du. Falsches Gerichtes zeihest du Uns und tust Uns unrect. Das wollen Wir dir beweisen. Du fragst, wer Wir seien. Wir sind Gottes Werkzeug, der Herre Tod, ein recht wirkender Mäher. Unsre Sense geht ihren Weg. Weiß, schwarz, rot, braun, grün, blau, grau, gelb und allerlei Glanzblumen und Gras hauet sie cor sich nieder, ihres Glanzes, ihrer Kraft, ihrer Tugend ungeachtet. Da hilft dem Veilchen nicht seine schöne Farbe, sein reicher Duft, sein wohlschmeckender Saft. Sieh, das ist Gerechtigkeit! Das haben Uns als Recht zugesprochen die Römer und die Dichter, da sie Uns besser kannten als du.
Du fragst, was Wir seien. Wir sind nichts und sind doch etwas. Deshalb nichts, weil Wir weder Leben, noch Wesen, noch Gestalt haben, kein Geist sind, nicht sichtbar, nicht greifbar sind; deshalb etwas, weil Wir des Lebens Ende sind, des Daseins Ende, des Nichtseins Anfang, ein Mittelding zwischen ihnen beiden. Wir sind ein Geschehen, das alle Menschen fället. Die großen Riesen müssen vor Uns fallen; alle Wesen, die Leben haben, müssen von Uns verwandelt werden. Hoher Schuld werden Wir geziehen.
Du fragst, wo Wir seien. Nicht feststellbar sind Wir. Doch fand man Unsere Gestalt in Rom in einem Tempel an eine Wand gemalt als einen Mann, auf einem Ochsen sitzend, dem die Augen verbunden waren. Dieser Mann führte eine Haue in seiner rechten Hand und eine Schaufel in der linken Hand; damit focht er auf dem Ochsen. Gegen ihn schlug, warf und stritt eine große Menge Volkes, allerlei Leute, ein jeglicher Mensch mit seinem Handwerkszeug; da war auch die Nonne mit ihrem Psalter. Die schlugen und warfen nach dem Mann auf dem Ochsen, der Uns darstellte; doch bestritt der Tod und begrub sie alle. Pythagoras vergleicht Uns mit eines Mannes Gestalt, der Basiliskenaugen hat; die wanderten nach allen Enden der Welt, und vor ihrem Blick mußte alle lebende Kreatur sterben.
Du fragst, von wannen Wir seien. Wir sind aus dem irdischen Paradies. Da schuf Uns Gott und nannte Uns mit Unserem rechten Namen, da er spracht: "Welches Tages Ihr in diese Frucht beißet, des Todes werdet Ihr sterben." Darum schreiben Wir Uns also: "Wir Tod, Herr und Gewaltiger auf Erden, in der Luft und des Meeres Strome."
Du fragst, wozu Wir tüchtig seien. Nun hast du zuvor gehöret, daß Wir der Welt mehr Nutzen als Schaden bringen. Hö auf, laß dich geügen und danke Uns, daß dir von Uns so gütig ist geschehen!
Johannes von Tepl
Der Ackermann und der Tod
DER TOD, Das 16. Kapitel
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